Unter adenoiden Vegetationen versteht man eine übermäßige Wucherung des lymphatischen Gewebes im oberen Rachenraum, die typischerweise ab dem Kleinkindesalter auftritt und bis hin in Schulalter bestehen kann. Typische Symptome sind: Mundatmung, verstopfte Nase, nasale Sprache, nächtliches Schnarchen bis hin zu Atemaussetzern im Schlaf. Die Erkrankung kann Erkrankungen wie Atemwegsinfektionen, Mittelohrentzündungen oder Sinusitiden begünstigen und zu Schwerhörigkeit (Tubenventilationsstörung) und verschiedenen, mitunter schwerwiegenden Entwicklungsstörungen führen.

Andere, synonyme Begriffe sind Adenoide, Rachenmandelhyperplasie, häufig auch „Polypen“ – wobei sich letzterer im Deutschen zwar eingebürgert hat, aber eigentlich für Wucherungen in den Nasenmuscheln reserviert ist, also für Nasenpolypen, die fast nur im Erwachsenenalter vorkommen. Im englischsprachigen Raum wird das Kürzel ATH verwendet – für „Adenotonsillar Hypertrophy“ – so auch in einer aktuellen Studie aus Indien [Ponnam 2024]:

Unter der Federführung der staatlichen indischen Behörde CCRH (Central Council for Research in Homoeopathy) haben fünf indische, homöopathische Behandlungszentren die Wirksamkeit individualisierter Homöopathie mit Einzelmitteln bei diesem Krankheitsbild untersucht. Es handelt sich um eine multizentrische, prospektive Beobachtungsstudie, in die insgesamt 202 Kinder aufgenommen wurden. Über einen Zeitraum von 12 Monaten fand eine klassisch-homöopathische Behandlung samt ausführlicher Verlaufskontrollen statt.

Einschlusskriterien

Es gab folgende Einschlusskriterien für diese Studie:

  1. Kinder im Alter von 3-10 Jahren,
  2. Radiologischer Nachweis der ATH mittels „lateral cephalometric radiography“ – also einer Röntgenuntersuchung,
  3. Vorliegen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSA, „obstructive sleep apnea“),
  4. schließlich vergrößerte Tonsillen („enlarged tonsils“).

Eine Röntgenuntersuchung bei diesem Krankheitsbild wäre hierzulande aufgrund der Strahlenbelastung absolut unüblich, wurde in Indien aber offenbar von den Ethikkommissionen gut geheißen. Für die Aussagekraft der Studie ist dies natürlich wertvoll, denn die Diagnose kann sicherer gestellt und Veränderungen im Verlauf – es wurden weitere Röntgenaufnahmen nach 3, 6, 9 und 12 Monaten angefertigt – direkt sichtbar gemacht werden.

Das Vorliegen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms wurde hingegen nicht etwa im Schlaflabor diagnostiziert, sondern allein anamnestisch anhand der Symptome festgestellt, die die Eltern berichteten; dazu zählten laut den Autoren der Studie Mundatmung, Schnarchen und von den Eltern beobachtete Atemaussetzer. Ebenso verzichtet wurde auf eine Tympanometrie (Beurteilung der Mittelohrbelüftung) und eine HNO-ärztliche Untersuchung (Rhinoskopie, Inspektion des Nasenrachens), wie es gemäß der aktuellen Leitlinie empfohlen wäre [AWMF 2022].

Beim letzten Einschlusskriterium wird lediglich knapp von „enlarged tonsils“ gesprochen – obwohl eine Tonsillenhyperplasie bzw. –hypertrophie der Gaumenmandel eigentlich nicht zwingend im Bild der ATH vorhanden ist.

Der Ablauf der Studie

Insgesamt wurden 340 Kinder untersucht und schließlich 202 in die Studie aufgenommen. Im Verlauf schieden 57 Patienten aus unterschiedlichen Gründen wieder aus, was einer Dropout-Rate von 28% entspricht. Alle Kinder wurden klassisch-homöopathisch behandelt: Exakte Anamnese, Repertorisation (Computerrepertorien RADAR, HOMPATH), Materia medica-Vergleich und homöopathische Verschreibung.

Die Behandler hatten freie Wahl des homöopathischen Arzneimittels, von welchem 4 Globuli oder eine Trituration (Pulver) in der Potenz C30 verabreicht wurde. Eine weitere Dosis wurde erst gegeben, wenn keine Besserung der Beschwerden mehr berichtet wurde. Es konnte auch eine höhere Potenz gewählt oder die Arznei im Verlauf gewechselt werden.

Die Patienten wurden über einen Zeitraum von 12 Monaten einmal pro Monat untersucht und mithilfe zahlreicher Scores beurteilt (u.a. Adenoid Symptom Score, Mallampati Score u.a.). Darüberhinaus wurden – neben den bereits erwähnten Röntgenaufnahmen – jeweils nach 3, 6, 9 und 12 Monaten Fotografien des Rachenraumes angefertigt, welche zusätzlich zur Abschätzung des Krankheitsverlaufs dienten.

Verordnete homöopathische Arzneimittel

Die Auswahl der Arzneimittel entspricht den für den typischen Symptomenkomplex häufig in der Praxis verwendeten Polychresten: Arzneimittel mit 10 oder mehr Verschreibungen insgesamt waren Calcium carbonicum, Phosphorus, Silicea, Sulphur, Calcium phosphoricum und Pulsatilla.

Zusätzliche Therapien

Neben der klassisch-homöopathischen Behandlung wurden Dampfinhalationen und die Meidung von Allergenen und Kälteexposition empfohlen. Da viele Kinder auch akut erkrankten, durften die Eltern bei Bedarf auch die üblichen konventionellen Behandlungen durchführen. Von den 202 Kindern in der Studie wurden immerhin 72 Kinder ein oder mehrmals akut krank, und es wurden insgesamt 135 akute Erkrankungsphasen dokumentiert. Davon wurden 90 Episoden alleine mit Homöpathie behandelt, 45 Episoden mit weiteren Medikamenten wie Antipyretika oder Antibiotika.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Autoren

Nach Abschluss der Studie fanden sich sehr deutliche Verbesserungen bei den erhobenen Scores: Dies betraf alle typischen Symptome wie Mundatmung, behinderte Nasenatmung, nächtliche Atemaussetzer und die Schlafqualität. Ebenso zeigten die Röntgenkontrollen eine deutlichen Rückgang der Rachenmandelhyperplasie bei 168 Kindern (83%).

Die Autoren folgern, dass einem Großteil der Patienten durch die homöopathische Behandlung weitere, konventionelle Maßnahmen – allen voran ein HNO-ärztlicher Eingriff wie die Adenotomie – erspart werden könne. Möglicherweise sei auch die Anwendung individualisierter Homöopathie mit Einzelmitteln anderen Settings überlegen, da frühere Studien zur ATH mit standardisierter Homöopathie oder Komplexmitteln keine signifikanten Ergebnisse geliefert haben [Friese 2009, Furuta 2003].

Als wesentliche Einschränkung der Studie sehen die Autoren, dass zur Verlaufskontrolle keine routinemäßigen, HNO-ärztlichen Rachenspiegelungen durchgeführt werden konnten, da dieser Untersuchung offenbar große Vorbehalte („societal myths“) in der indischen Bevölkerung entgegen stehen.

Fazit

Zwar handelt es sich „nur“ um eine prospektive Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe. Dafür sind die Besserungen in den einzelnen Scores aber sehr eindrücklich. Schon nach 3 Monaten waren die Beschwerden deutlich rückläufig, und es bestanden nur noch Restsymptome.

Das klinische Bild der ATH kann im Verlauf von Wochen oder Monaten zwar deutlich fluktuieren, d.h. abhängig von akuten Infektionen werden die Symptome mal etwas stärker, mal etwas schwächer. Gegen einen reinen Spontanverlauf der in der Studie dargestellten Verbesserungen sprechen aber die ausgeprägten Symptome und ein bestehendes OSA; dieses Beschwerdebild würde sich erwartungsgemäß nicht so rasch und in diesem Ausmaß von selbst bessern.

Rund 80% aller homöopathischen Verordnungen bestanden aus einem kleinen Pool gut bekannter Polychreste.

Literatur

Ponnam HB, Varanasi R, Shil RC et al: Individualized Homeopathic Medicines in the Management of Symptomatic Adenotonsillar Hypertrophy in Children: A Prospective Observational Study. Homeopathy 2024;113:32–40 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0043-1762591

AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.): S2k-Leitlinie (Langfassung) Adenoide Vegetationen. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. AWMF-Register-Nr. 017/021 https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/017-021

Friese KH, Feuchter U, Lüdtke R et al: Results of a randomised prospective double-blind clinical trial on the homeopathic treatment of adenoid vegetations. Eur J Gen Pract 2009; 7:48–54

Furuta SE, Weckx LLM, Figueiredo CR: Prospective, randomised, double-blind clinical trial about efficacy of homeopathic treatment in children with obstructive adenoid. Rev Bras Otorrinolaringol 2003;69: 343–347